philoro EDELMETALLE • philoro Gold Round Table
Ausgabe 01/2015
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nationalen Ebene macht eher Nabel-
beschau und kümmert sich um diese
Krise, die noch immer in Europa massiv
da ist. Das Bruttonationalprodukt im
Euro-Raum ist immer noch unter dem
Niveau von 2007. Der Grund, warum
man es nicht schafft, aus dieser
Krise herauszukommen, sind die
inadäquaten institutionellen Entschei-
dungsmechanismen in Europa.
Jilch:
Gibt es so etwas wie merkliche
Auslöser für Bewegung am physischen
Goldmarkt?
Hell-Höflinger:
Viele meiner Kunden
verkaufen ihr Gold, weil sie Geld für
Investitionen, teils aber auch einfach für
alltägliche Sachen brauchen.
Jilch:
Das ist interessant und passt zu
dem, was ich immer wieder von den
Banken höre, dass die Österreicher von
2008 bis 2009 geschlafen haben, dann
haben sie wie verrückt Immobilien ge-
kauft und in den letzten zwei bis drei
Jahren, wo die Sparquote deutlich zu
sinken begonnen hat, brauchen sie
das Geld, um ihren Lebensstandard zu
halten. Man muss fairerweise sagen, das
ist auch die Idee hinter dem Goldinvest-
ment: Wenn ich es brauche, habe ich es.
Hell-Höflinger:
Das sage ich auch
meinen Kunden, die sich schlecht
fühlen weil sie ihr Gold verkaufen
müssen: „Jetzt brauchen Sie es und
genau dafür ist es da.“
Jilch:
Jetzt kommen wir ganz kurz noch-
mal zum Euro zurück. Was glauben Sie,
ist es jetzt gut, dass der Euro gegenüber
dem Dollar schwach ist, wird er noch
schwächer, wie ist da das Szenario?
Brenner:
Ja, ich wüsste das auch gerne.
(lacht)
Jilch:
Sollten die Amerikaner die Zinsen
erhöhen, würde das kurzfristig für den
Goldpreis sehr negativ sein?
Brenner:
Sollte der Zinssatz 2,5%
erreichen wird es interessant, weil Gold
dann gegenüber anderen Anlage-
formen, die Zinsen abwerfen, an Attrak-
tivität verliert. Das gilt auch für Europa.
Ich glaube, dass das ganze Verschul-
dungsthema das Zinsthema bestimmt.
So lange die Verschuldung so hoch ist,
kann man die Zinsen nicht erhöhen.
Jilch:
Wie schätzen Sie, Herr Brenner,
die momentane Lage von Gold ein?
Brenner:
Auch wenn wir im Moment
20% unter dem Peak von 2010/11 sind,
ist die Nachfrage immer noch konstant
hoch. Die Leute interessieren sich nach
wie vor für Gold. Diejenigen, die bereits
in der Vergangenheit gekauft haben,
kaufen wieder. Unseren Kunden gefällt
es, etwas Physisches zu besitzen – das
gibt ihnen Sicherheit.
Hell-Höflinger:
Ich kann mich dem nur
anschließen. Menschen kaufen Gold
aus Unsicherheit – sie sehnen sich nach
bleibenden Werten.
Brenner:
Würden die Zinsen steigen,
sähe der Markt anders aus, oder?
Hell-Höflinger:
Wenn wir es wieder
schaffen in diesen 80er und 90er
Hype hineinzukommen, mit Fonds, die
zwischen 15 und 30% Rendite jedes
Jahr versprechen, dann werden die
Leute auch wieder dem Gold abtrünnig.
Jilch:
Was war der Staatsschuldenstand
damals?
Bayer:
Der Staatsschuldenstand war
damals 30%.
Jilch:
Da ist also noch Luft nach oben?
Bayer:
Ja, ja. Aber ich meine, über die
Staatsschuld als Indikator kann man
lange philosophieren. Natürlich bezahlt
man 4,5% des BIP an Zinsen für die
Staatsschuld, das sind immerhin ca.
12 Mrd., die man nicht für andere pro-
duktive Zwecke, für Wirtschaftsförder-
ung oder soziale Zwecke, verwenden
kann. Wenn man 50% des BIP erreicht
hat, kann man das nicht mehr aus-
weiten. Die goldenen Nachkriegsjahre,
die 70er Jahre, waren eine Ausnahme-
situation. 3 bis 4% BIP-Zuwachsraten
in einem hoch entwickelten Land gibt
es nicht mehr, aktuell sind 1 bis 2% Zu-
wachs schon eine Ausnahme. Die Leute
spüren das und gehen dann in Richtung
Sachwerte, wie Edelmetalle. In kleineren
Einheiten sind Edelmetalle liquider und
auch händelbarer für die Leute, weil
AM PHILORO GOLD ROUND
TABLE (von links nach rechts)
Mag. (FH) Nikolaus Jilch,
Mag. (FH) Rudolf Brenner,
Mag. Walter Hell-Höflinger,
Dr. Kurt Bayer.