philoro EDELMETALLE • Interview mit Prof. Dr. Gunther Schnabl
Ausgabe 01/2015
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mentenkredite zu vergeben. Verzögert steigen Löhne und Preise.
Heutzutage scheint es jedoch so zu sein, dass das zusätzliche
Kreditvolumen, das den Banken gewährt wird, eher im Finanz-
sektor verbleibt und vermehrt in Vermögenswerte fließt. Es
werden zum Beispiel mehr Immobilienkäufe finanziert, sodass
die Immobilienpreise steigen. Auch die Aktienpreise schießen
nach oben, es entstehen Preisblasen. Beide Entwicklungen
schlagen sich nur sehr bedingt auf die Konsumentenpreise nieder
oder nur sehr spät. Weil die Zentralbank deshalb das Kredit-
volumen nur sehr spät verknappt, können sich große Spekula-
tionsblasen auf den Vermögensmärkten bilden. Wenn diese
platzen, kommt es zu großen Krisen, ohne dass je die Konsu-
mentenpreise angestiegen sind.
philoro:
Was ist die Ursache dieses Bruchs, dass das billige Geld
in Vermögenspreise wandert und nicht z.B. in Unternehmens-
kredite oder Start-up-Finanzierungen?
Schnabl:
Darüber kann ich nur spekulieren. Aus meiner Sicht
bestehen unterschiedliche Versicherungsmechanismen gegen
unterschiedliche Risiken. Wenn Sie als Unternehmen einen
Kredit bei einer Geschäftsbank aufnehmen, um eine Investition
zu finanzieren, dann tragen Sie als Unternehmer und indirekt
auch die Bank das Risiko. Scheitert die Investition, dann muss
der Unternehmer die Verluste verkraften, was für die Bank bis
zum Kreditausfall führen kann.
Investieren Sie im Gegensatz dazu in die Finanzmärkte, also in
Aktien oder Immobilien, dann greifen die Sicherheitsmechanis-
men der EZB, wenn eine Krise droht. Die Leitzinsen werden
sofort gesenkt oder Vermögenswerte direkt angekauft, wenn
die Vermögenspreise fallen. Man weiß also, dass wenn man
in den Finanzmärkten spekuliert, man einerseits Gewinne privati-
sieren kann, andererseits die Risiken für einen Komplettverlust
gering sind. Dies führt dazu, dass die Investitionen im realen
Sektor abnehmen und die Spekulation im Finanzsektor zunimmt.
philoro:
Was gäbe den Banken Ihrer Meinung nach denn
einen Anreiz wieder mehr Kredite an den Unternehmenssektor
weiterzureichen?
Schnabl:
Die logische Konsequenz ist eine Zinserhöhung. Das
scheint eine ungewöhnliche wirtschaftspolitische Empfehlung,
aber ich habe im Wesentlichen zwei Gründe für diese
Forderung.
philoro:
Die EZB hat den
Leitzinssatz auf ein historisch
niedriges Niveau herab-
gesetzt und gleichzeitig ein
Anleihekaufprogramm
von
1,1 Billionen initiiert. Die
Inflation müsste jetzt doch
riesige Blüten treiben. Warum
kommt die Inflation nicht
spürbar beim Bürger an?
Schnabl:
Was wir derzeit
beobachten ist ein Inflations-
anstieg, nicht bei Konsumgü-
tern, jedoch bei den Vermö-
genswerten. Die Preise für
Aktien, Immobilien, zum Teil
auch für Rohstoffe und Gold
steigen stark an. Dies wird
jedoch von der Zentralbank im
Konsumentenpreisindex, der
Grundlage für die Geldpolitik
ist, nicht gemessen. Speziell
auf Deutschland bezogen
sind es derzeit vor allem der
Aktien- und der Immobilien-
markt,
wo
wir
einen
sehr starken Preisanstieg
beobachten. Über die Exzesse
auf den Vermögensmärkten
kommen die negativen Effekte
der ultralockeren Geldpolitik
auch ohne Inflation beim
Bürger an.
philoro:
Wir können also nicht von einem nachhaltigen
Konjunkturaufschwung reden, da das viele EZB-Geld lediglich
die Preise von Vermögenswerten aufbläht?
Schnabl:
Es gibt ganz klar einen Strukturbruch in der Transmis-
sion der Geldpolitik. Traditionell gehen wir davon aus, dass die
Zentralbank den Geschäftsbanken zusätzliche Kredite zur Ver-
fügung stellt. Dieses erhöhte Kreditvolumen wird dazu genutzt,
Investitionen von Unternehmen zu finanzieren oder Konsu-
promovier te und habilitier te
an den Universitäten
Tübingen, Tokio, Stanford
und Leuven und arbeitete
als Advisor bei der EZB.
Seit dem Jahr 2006 hat er
die Leitung des Institutes für
Wir tschaf tspolitik an der
Universität Leipzig inne, wo
er auch als Professor für
Volkswir tschaf tslehre tätig
ist. Die Schwerpunkte
seiner Forschung umfas-
sen die Wechselkurse, die
Währungspolitik, die Finanz-
märkte in aufstrebenden
Volkswir tschaf ten sowie
monetäre Überinvestitions-
theorien und Krisen.
Prof. Dr. Gunther Schnabl
Prof. Dr. Gunther Schnabl
mit