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Ausgabe 01/2015

philoro Gold Round Table • philoro EDELMETALLE

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Hell-Höflinger:

Ich würde sagen nein.

Zurzeit ist es nicht der niedrige Gold-

preis, der Menschen zu Gold greifen

lässt, sondern das steigende Misstrauen

in andere Anlageformen.

Brenner:

Ich glaube, dass der Haupt-

treiber der hohen Goldnachfrage der

aktuelle Zinssatz ist, der nicht vorhanden

ist. Das treibt die Leute ins Gold und in

alle möglichen Risikoklassen. Die An-

leihen als Veranlagungskategorie sind

auch ausgefallen. Für eine 10-jährige

Staatsanleihe bekommt man de facto

heute nichts. Jetzt stehen viele Leute

vor der Frage: „Was mache ich mit

meinem Geld?“. Viele Marktteilnehmer

investieren ihr Geld daher auf dem

Aktienmarkt. Deshalb sehen wir auch

immer wieder neue Höchststände

bei den verschiedenen Indizes. In

Anleihen investieren nur jene, die dazu

gezwungen sind, wie Pensionskassen

und Versicherungen, die laut ihren

Deckungsstockrichtlinien den Staat

finanzieren müssen. Der Private ist

zum einen durch die Veranlagungs-

formen, in die er in der Vergangenheit

investiert hat, frustriert, zum anderen

bekommt er am Sparbuch nichts.

Da sagt er sich, ich investiere lieber

in Gold, das wird nie wertlos.

Jilch:

Ist es nicht ein Fehler, zu sagen

Aktien oder Gold, das sind ja nicht

wirklich zwei Asset-Klassen, die mit-

einander konkurrieren?

Brenner:

Nein das konkurriert nicht,

aber ich glaube, dass die Alternativen

fehlen. Es ist Geld da und das Geld soll

veranlagt werden. Veranlagungsformen,

die der Kunde in der Vergangenheit

hatte, wie das Sparbuch, die Lebens-

versicherung und das Anleihenportfolio,

sind nicht mehr attraktiv, deshalb gibt

es einen Teil, der sich in den Aktien-

markt kanalisiert; und dann gibt es

aber auch einen Teil von dem großen

Kuchen, der in die physischen Edel-

metalle wandert. Aus diesem Grund ist

die Nachfrage weiterhin sehr stabil.

Sie ist nicht mehr auf dem Niveau

von 2010, ich würde sagen sie ist im

Branchenschnitt 20 bis 30% darunter,

aber vergleicht man die Nachfrage

von vor 10 bis 15 Jahren mit heute,

hat sich die Nachfrage verfünffacht

und das wird so lange bleiben, so

lange das Zinsniveau auf dem Level ist,

wie es jetzt vorgefunden wird. Sollten

die Zinsen steigen, sind Anlageformen

wie Anleihen, Sparbuch und andere

verzinsliche Anlageklassen wieder eine

Alternative.

Jilch:

Reden Sie vom Weltmarkt

oder eher vom österreichischen bzw.

europäischen Markt – die Zinssituation

ist natürlich sehr europäisch, oder?

Brenner:

Ich rede jetzt mal von den

Industrienationen, beispielsweise den

Vereinigten Staaten. Dort ist Gold jetzt

nicht so ein groß angesagtes Thema.

Trotzdem habe ich letztens erfahren,

dass der physische Goldmarkt in den

USA immer noch genau so groß ist wie

der Markt in Deutschland. Ebenso in

Japan. Dort gibt es auch eine Nullzins-

Politik. In Europa ist das Zinsniveau de

facto Null und in manchen Ländern

gibt es sogar einen Negativzins, wie

beispielsweise in der Schweiz.

Jilch:

Wie schätzen Sie, Herr Bayer,

prinzipiell die politische und ökono-

mische Lage nach der Krise von 2008

ein? Wo gehen wir Ihrer Meinung nach

hin?

Bayer:

Das ist eine gute Frage. Wir

sind in Europa irrsinnig stark zentriert

in unserem Denken. Europa kümmert

sich um sich und bestenfalls um seine

engsten Nachbarn, aber es gibt kaum

eine Diskussion - zumindest nicht in

Kontinentaleuropa - über Südostasien,

China, oder Lateinamerika. Die geo-

politischen und ökonomischen Gewichte

verschieben sich. Das wird meiner

Meinung nach viel zu wenig diskutiert

und die Position, die Europa im künftigen

Gefüge einnehmen wird, ist eigentlich

in der EU selbst kaum Diskussions-

gegenstand.

Jilch:

Aber stimmt es, dass das Thema

so wenig diskutiert wird, weil eines

der Hauptargumente für die EU

war, dass es zu einer großen Block-

bildung kommt, mehr oder weniger

nach den Linien von Georg

Orwell´s von 1984. Das Argument

war: Da muss man dabei sein, weil

wenn wir uns zerstreiten, dann

haben wir keine Stimme. Das war ja

immer das Argument, oder?

Bayer:

Das war das Argument, das

stimmt auch und das haben die

Gründerväter natürlich immer gesehen.

Aber die jetzige Crew von Politikern

auf der europäischen und auch auf der

A

m 27. März 2015

fand wieder unser

philoro Gold Round

Table statt. Thema

war dieses Mal „Gold vor dem Hinter-

grund der Finanzkrise”. Mag (FH)

Nikolaus Jilch spricht mit den hochka-

rätigen Gästen Dr. Kurt Bayer, Mag.

Walter Hell-Höflinger und Mag. (FH)

Rudolf Brenner über ihre Expertise.

Jilch:

Wie würden Sie

den Markt angesichts

der aktuellen Wirt-

schaftslage einschätzen?

Ich bin mir nicht zu

100% sicher, ob es

dem Markt gut oder

schlecht geht, ob die

Krise jetzt noch anhält

oder schon vorbei ist.

Hell-Höflinger:

Meine

Kunden sind der Mann

und der Frau von der

Straße, eher im kleineren

Investmentbereich ange-

siedelt. Ich bemerke

bei meinen Kunden ein

Munterwerden.

Ver-

mehrt empfinden diese

Menschen das Gefühl

manipuliert zu werden.

Es kommen Leute in

unsere Filiale und sagen,

dass sie nicht mehr

glauben was in den

Medien steht, und was

Banken

versprechen.

Österreicher sind typ-

ische Sparbuchsparer

und Bausparer. Nach-

dem diese Produkte aber

nichts mehr merklich

abwerfen, spüren die

Leute das im Börserl. Sie vertrauen

deswegen immer weniger in die alten

ehrwürdigen Institutionen wie Banken

und vor allem immer weniger in

die EU. Unter meinen Kunden

herrscht eine Stimmung, die sehr

viel

Misstrauen

ausdrückt.

Die

Menschen haben ein Bedürfnis nach

Sicherheit und Gold bietet ihnen

diese emotionale Sicherheit.

Jilch:

Ist die Nachfrage nach Gold ver-

gleichbar mit der großen Nachfrage

von 2010/11?